Chronik

Kain und Abel

 

FREILUFTGEFANGENENTHEATER in der JVA Tegel

 

Premiere: Mittwoch, 20. Juni 2012

Vorstellungen: 22., 27., 29. Juni sowie 4., 6., 11. und 13. Juli 2012

Dein Gott liebt Blut. / Du sollst nicht töten.

Das Gefangenenensemble von aufBruch widmet sich in diesem Sommer auf dem Freistundenhof der JVA Tegel einem Fall aus dem Alten Testament: dem Brudermord von Kain an Abel. Die Bibel behauptet: Die Geschichte der Menschen begann mit Straftaten. Die erste, in vertikaler Richtung, war Adam und Evas Ungehorsam gegen Gottes Gebot. Die zweite, auf horizontaler Ebene, war Mord in der Familie. Kain tötet seinen Bruder Abel, weil dessen Opfer von Gott bevorzugt wird. Er fühlt sich ungerecht behandelt, ist voll Neid auf den Begünstigten. Beide können nur geben, was ihre Arbeit ihnen bringt. Bei Abel ist es Fleisch, bei Kain sind es die Früchte der Erde. Das Fleischopfer ist Gott gefälliger. Kain opfert seinen Bruder.

 

Kain schlägt nicht aus der Art, sondern ist der Mensch, den Gott geschaffen hat. Er arbeitet im Schweiße seines Angesichts, voller Mühen ringt er der Wüste weniges ab. Er hinterfragt, lehnt sich auf. Dem Totschlag folgen Sühne und Strafe. Kain wird vertrieben und heimatlos. Durch das Kainsmal ebenso gebrandmarkt wie auch geschützt, wird er der moderne Mensch, der Städtegründer.

 

Die Genesis bestimmt einen Ablauf aus Regelverstößen und drastischen Strafen, der sich in unser Verständnis vom Menschen eingegraben hat. Entwicklung ohne Auflehnung ist nicht denkbar, Auflehnung ohne Strafe ebenso wenig. Aus Benachteiligten werden Störenfriede, aus Abgewiesenen Verbrecher, aus Verbrechern Bestrafte. Das 1. Buch Mose legt fest, dass jede Abweichung hart bestraft wird, aber es zeigt auch den Ursprung menschlichen Schaffens.
Die Spielfassung aufBruchs enthält Texte aus der Bibel, aus der englischen Romantik von Lord Byron (bearbeitet von Dietrich Taube), dem deutschen Expressionismus von Friedrich Koffka und des DDR-Dramatikers
Georg Seidel.

 

Es spielt das Gefangenenensemble der JVA Tegel Albert Bach, Christian Templiner, Dragan, Dr. Zigic, Ferry, Hauke Burmeister, Henryk Chutkowski, Horst Grimm, Joca, Kurt Lummert, Markus B., Miki Paso, Momcilo Ibraimovic, Nedzad Tahirovic Bibo, Norman Bürger, Pablo, Richi, Roberto Samir Mustafic, Sasa, Six-Pack Hansi, Sladjan Stanojevic, Tonni, Volker Ullmann, Yussef

 

Regie Peter Atanassow Bühne Holger Syrbe Kostüm Thomas Schuster Dramaturgie Jörg Mihan Choreografie Dilruba Saatçi Musikalische Einstudierung Ruslan S. Produktionsleitung Sibylle Arndt Öffentlichkeitsarbeit Carolin Forkel Regieassistenz Anna Galt Kostümassistenz Christine Jung Technik Julia Kleinknecht, Wolfgang Rühling
Grafik Alexander Atanassow

Fotos: Copyright Thomas Aurin.
Jede Art der Verwendung nur nach vorheriger Genehmigung durch aufBruch / Thomas Aurin

www.thomas-aurin.de

Pressestimmen

Als das Ensemble, zwanzig Männer in beiger Kluft, das Gelände betritt und auf den Emporen Aufstellung nimmt, wird der Bühnenbau noch sinnfälliger. Chor, Rhythmus. Regisseur Peter Atanassow erzählt den Mythos in einer Mischung aus rituellem Mysterienspiel und kollektivem Sprechstück, das nicht nur an Einar Schleef denken lässt, sondern auch das Militärische, die Praxis der Kasernierung aufgreift. (...)

 

Jeder hat seinen Monolog, es werden Lieder gesungen, auf Türkisch, Deutsch, Romani, es wird getanzt, in jedem Moment bleibt die existenzielle Wucht spürbar, sind die Szenen gefasst in einer beeindruckenden Choreographie, in der die Kräfte immer neu gegeneinander gehetzt werden, ohne sie einer Lösung zuzuführen. Siebzig Minuten. Der Jubel ist groß.

 

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Atanassow findet starke Bilder, um diesen uralten Zwist darzustellen und schraubt den Konflikt weiter ins Prinzipielle, wo es um Gerechtigkeit, um das Recht zur Auflehnung geht. Immer wieder wird in archaischen Szenen erbittert gekämpft. Ab und zu hält aber auch ein leichter Ton Einzug. Schön ist die Szene bei zwei Bettlern, die erst „einen Taler für die Blinden“ fordern, um dann umzuschwenken und mit rauen Stimmen „Ein Schiff wird kommen“ intonieren.

 
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Spielort:
JVA Tegel
Seidelstraße 39 - Tor 2
13507 Berlin
U6 Otisstraße oder Holzhauser Straße

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