Chronik
WOYZECK
von Georg Büchner
Der Soldat Franz Woyzeck, Laufbursche seiner Vorgesetzten, lebt am Rande der Gesellschaft. Um seinen spärlichen Sold aufzubessern und seiner Geliebten Marie und ihrem gemeinsamen Kind etwas zustecken zu können, unterzieht er sich eines medizinischen Experiments, einer strengen Erbsendiät. Woyzeck gilt als Sonderling. Nachts hört er Stimmen und Geräusche. Verhetzt rennt er durch sein Leben, immer auf der Flucht, stets gedemütigt. Als Marie den Avancen des schicken Tambourmajors erliegt, fühlt Woyzeck sich zum Rächer einer verkommenen Welt berufen. Woyzeck tötet Marie - das einzige, was er auf der Welt besitzt.
Die wahre Geschichte des Füsiliers Johann Christian Woyzeck, der 1821 des Mordes beschuldigt und nach einem jahrelangen Prozess um seine Zurechnungsfähigkeit hingerichtet wurde, veranlasste Georg Büchner zur Niederschrift seines Sozialdramas WOYZECK, welches als bedeutendstes deutschsprachiges Theaterfragment des 19. Jahrhunderts gilt.
Franz Woyzeck gilt unser Verständnis ebenso wie er uns abstößt, ängstigt und ratlos zurücklässt. Was treibt diesen Woyzeck an, der überall Feinde sieht, Verschwörungen gegen die eigene Person wittert und Stimmen hört, die ihm Befehle geben? Ist es religiöser Wahn, ist es Drogenmissbrauch, die Auswirkungen des medizinischen Experiments oder der Wunsch sich zu rächen für die zahllosen Erniedrigungen?
Das Stück verweigert uns die Antwort, damals wie heute. Aber es spiegelt ein uns bekanntes generelles Problem: Die Ausgrenzung der Nicht-Konformen, derjenigen die schon überall rausgeflogen sind, aus der Schule, dem Lehrbetrieb, den Sportvereinen, dem Militär. Sie bleiben unverstanden, werden gemieden, belächelt, geschlagen und so bald selbst zum Täter.
aufBruch inszeniert Büchners WOYZECK mit Inhaftierten der Jugendstrafanstalt Berlin als theatralen Versuch mit jener Sprachlosigkeit umzugehen, die uns angesichts der scheinbar immer gleichen Zusammenhänge von Ausgrenzung und Gewalt befällt.
„Jeder Mensch ist ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“
Es spielt das Gefangenenensemble von aufBruch in der JSA Berlin: Ali, Baris, Jallal, Jamal, Jihad, Nico, Salah, Viktor.
Regie Peter Atanassow Bühne Holger Syrbe Kostüm Melanie Kanior Dramaturgie Vlatko Kultzen Musikalische Einstudierung Vsevolod Silkin Video Pascal Rehnolt Produktionsleitung Sibylle Arndt Regieassistenz Charlotte Wilke Technik Lukas Maser Graphik Alexander Atanassow
Tickets: 15 € / 10 € (ermäßigt)
Kartenverkauf ab Montag, 21. Oktober 2019 um 11 Uhr im aufBruch-Onlineshop
oder an der Kasse der Volksbühne Berlin
Gefördert durch Zuwendungsmittel der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung
Unterstützt durch die Jugendstrafanstalt Berlin, JVA Tegel, Volksbühne Berlin.
Fotos
Fotos: Copyright Thomas Aurin.
Jedwede Verwendung nur nach vorheriger Genehmigung durch aufBruch / Thomas Aurin
Pressestimmen
Dieser Woyzeck, [d]er sich im Morden etwas zurückholt, das er nie besaß. Seine Wahrnehmungspein ist seine kleine tödliche Freiheit. Ein Hin- und Hergehen, das ein ungelenkes Stocken und Stillstehen bleibt. Eine kleine Seele im großen Rotz der Welt. Fast staunend beobachtet dieser Woyzeck, wie sich ungeheure Dinge in ihm vorbereiten. Das ist jene Weisheit, die wir dann, wenn das Bewusstsein uns foltert, so sehr an den Tieren beneiden. Manchmal wirken seine Hände wie Rudimente von Flügeln, aber, wie gesagt: Was sollen Flügel in einer Welt, der die Himmel ausglühen oder wegfrieren. Berührend!
aufBruch statt Ausbruch
Das Gefängnistheater aufBruch inszeniert Stücke mit Inhaftierten. Derzeit läuft „Woyzeck“ in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee.
"Warum tut jemand das, was er tut? Warum wird einer verrückt und der andere nicht, einer gewalttätig, eine stark, die andere schwach? (...) Es geht sehr viel um die Frage: Was ist ein guter Mensch? (...) Trotzdem wirkt nichts an der Inszenierung platt oder zu pädagogisch."
von Viktoria Morasch
Spielort:
JSA Berlin (Kultursaal)
Friedrich-Olbricht-Damm 40
13627 Berlin (Pforte 3)
Anfahrt BVG:
S-Bahn Beusselstraße
Bus 123 Friedrich-Olbricht-Damm/Heckerdamm